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Berlin | Liebe und Wahnsinn sind eins: «Passion Simple» auf 3sat

Magali Bragard/Julien Roche/ZDF/dpa | Seit ihrer ersten erotischen Begegnung vergisst Hélène (Lætitia Dosch) alles um sich herum, wenn der geheimnisvolle Alexandre (Sergej Polunin) in ihrer Nähe ist.

Fernsehen

Berlin (dpa) - Seit September vorigen Jahres tut Hélène (Lætitia Dosch) nichts anderes, als auf diesen einen bestimmten Mann zu warten. Darauf, dass er anruft oder zu ihr kommt. Alexandre (Sergej Polunin) ist ein wortkarger Anzugtyp um die 30. Er hat einen etwas undurchsichtigen Job in der russischen Botschaft in Paris, betreut Geschäftsleute, Putin-Fans. Und er ist verheiratet.

Sie ist besessen von seinem tätowierten Körper

Hélène ist zehn Jahre älter als er und besessen von seinem athletischen, über und über tätowierten Körper, von seiner Eleganz. Im Erotikdrama «Passion Simple», am Samstag um 23.15 Uhr auf 3sat, gibt sich die geschiedene Literaturdozentin paralysiert seinem aggressiven Sex hin. Sie lieben sich wie wild im Bett, auf dem Küchentisch, an der Wand, auf der Treppe.

Seit der ersten Zufallsbegegnung und der ersten Nacht in einem Hotelzimmer in Portugal kommt sie nicht von ihm los - und er nicht von ihr. Doch er bestimmt die Regeln. Sie darf ihn nicht anrufen, ihn nicht begleiten. Er ruft an, er lädt sich ein, sie empfängt ihn bei sich, wann immer er will. Er übernachtet nie bei ihr. Alexandre verbietet ihr schließlich sogar enge Röcke in der Öffentlichkeit.

Verfilmung eines Annie-Ernaux-Romans

Um es klar zu sagen: Die Heldin dieses Films ist kein Dummchen, immerhin ist dieses französische Drama von 2020 die Verfilmung eines Bestsellers von Annie Ernaux aus den frühen 1990ern. 

Literaturforscherin Hélène ist gestandene alleinerziehende Mutter und hat im Zuge der Scheidung ein riesiges Haus behalten. Sie spricht vor einem riesigen, brechend vollen Hörsaal der Sorbonne und hat einen großen Freundeskreis.

Und doch ist sie so besessen von der Affäre, dass sie in der eigenen Vorlesung ihr Handy nicht abstellt, nur um für ihn erreichbar zu sein, was prompt für eine peinliche Situation sorgt. Immer mehr löst sich Hélènes geordnetes Leben auf, sie hat keinen Blick mehr für ihr Kind, für Freunde und Alltag. Als Alexandres Anrufe eines Tages aufhören, gerät Hélène an den Abgrund.

«Wozu man fähig ist»

Die von Leidenschaft entflammte Romantikerin, die eine solch kranke Liebe nur aus ihren Forschungsarbeiten und aus Groschenheftchen kannte, reist am Rande des Wahnsinns sogar nach Moskau. Nur, um dieselbe Luft zu atmen wie ihr Liebhaber, wie sie nach dem absoluten Tiefpunkt ihrem Therapeuten erzählt. «Ich habe herausgefunden, wozu man fähig ist – zu allem nämlich.» 

Der Film der Regisseurin Danielle Arbid ist weder ein «Fifty Shades of Grey»-Aufguss noch eine Studie über verliebte Frauen in der Midlife-Crisis. Es geht um die Grenzen der eigenen Welt, die Hélène in ihrem Rausch auslotet. Dabei setzt Arbid sehr auf die ungewöhnliche Intensität der Sexszenen. 

Die größte Stärke ist jedoch Hauptdarstellerin Lætitia Dosch. Sie verleiht der Heldin dieses sehr französischen Films eine starke Vitalität zwischen feministischem Anspruch, Besessenheit und Sehnsucht nach mehr Leben.

© dpa-infocom, dpa:250712-930-788914/1