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Berlin | Der Gott des Monsters: Del Toros «Frankenstein» bei Netflix

Ian West/PA Wire/dpa | Guillermo del Toro bei einer Vorführung von «Frankenstein» in London. (Archivbild)

Jetzt zum Streamen

Berlin (dpa) - Es gibt seltene Fälle, da können selbst große Hollywood-Schauspieler an einem Film beteiligt sein - aber der eigentliche Star ist der Regisseur. Guillermo del Toro ist so ein Fall. Der dreifache Oscar-Preisträger hat mit seinen düster-fantasievollen Märchen («Pans Labyrinth», «The Shape of Water») eine riesige Fangemeinde gewonnen. 

Und so war es auch del Toro, der bei der Premiere seines neuen Blockbusters «Frankenstein» Ende August in Venedig den größten Jubel bekam. Seit heute (7.11.) ist der Film jetzt bei Netflix zum Streamen verfügbar.

Dass del Toro mit Jacob Elordi und Oscar Isaac in den Hauptrollen und Christoph Waltz in einer Nebenrolle einen berühmten Cast versammelt hat, wurde bei den Filmfestspielen fast zur Randnotiz. 

Was ist das Besondere an del Toros «Frankenstein»?

In «Frankenstein» kommt die Gothic-Ästhetik del Toros wieder stark zur Geltung. Der Film hat eine opulente Optik mit aufwendig in Handarbeit gefertigten Filmsets. Es ist wohl das bombastischste Werk, das del Toro bislang vollbracht hat. Berichten zufolge kostete der Netflix-Film 120 Millionen Euro. 

Aufnahmen einer Weitwinkelkamera und Farbfilter sorgen dafür, dass der zweieinhalb Stunden lange Film besonders prächtig leuchtet. Das Geschehen spielt in einem Schloss, auf See oder im Labor. Wie die Kostüme sind auch die bis ins Detail liebevoll gestalteten Setdesigns bemerkenswert.

«Frankenstein» ist die Essenz all dessen, was del Toro ausmacht: seine Liebe zu Monstern, seine Empathie für das vermeintlich Böse - das sich bei näherem Blick als das eigentlich Gute offenbart -, seine Faszination für das Zusammenspiel von Schönheit und Verfall. 

Gleichzeitig treibt er es diesmal so weit, dass der Film in seiner Opulenz und emotionalen Wucht fast etwas Marvel- oder Disneyhaftes bekommt – ein düsteres Märchen in Hochglanz, zwischen Grusel, Romantik und Pathos.

Worum geht es?

Mary Shelley veröffentlichte ihren Roman «Frankenstein» 1818 (zunächst anonym). Sie erzählt von dem Wissenschaftler Victor Frankenstein, dem es gelingt, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, der dann aber die Kontrolle über seine Kreatur verliert. 

Bei del Toro verkörpert Oscar Isaac («Dune», «Ex Machina») den Wissenschaftler. Der 46-Jährige porträtiert Frankenstein als ebenso charismatischen wie arroganten Strippenzieher, eine Art irrlichternden Rockstar. 

Guillermo del Toro erzählt die Geschichte als emotionales Drama. Das Monster, gespielt von «Saltburn»-Star Elordi, ist alles andere als monströs - sondern ein sensibles, sehnsuchtsvolles Wesen. Ein Wesen, das vergeblich nach Liebe sucht. Doch nachdem nicht nur Victor, sondern auch (fast) die gesamte Gesellschaft es ablehnt, wird es zerstörerisch und wendet sich gegen seinen Schöpfer. 

Neuinterpretation von «Frankenstein» als Vater-Sohn-Geschichte

Del Toro fokussiert sich stark auf die Beziehung zwischen Victor und seinen Eltern. Frankensteins Vater wird als dominant und wenig fürsorglich dargestellt - was Victors großen Ehrgeiz, seine Suche nach Anerkennung, aber auch seine Gefühllosigkeit erklärt. 

«Für mich ist es ein Familienfilm», sagte del Toro im Interview in Venedig. «Es ist eine Geschichte darüber, Vater und Sohn zu sein.» Felix Kammerer («Im Westen nichts Neues») verkörpert im Film Victors gutmütigen Bruder. Auch ihn sprach die Vater-Sohn-Dynamik an. «Kurz nachdem wir "Frankenstein" fertiggestellt hatten, wurde ich selbst Vater», sagte der 30-Jährige im Interview. 

«Während der Dreharbeiten war mir das immer sehr präsent. Ich dachte: Okay, was ist es, das dich dazu bringt, dieses Wesen, diesen kleinen Menschen, anzuschauen, ihn so sehr zu lieben, aber gleichzeitig völlig verwirrt über deine Situation zu sein?»

Zehn Stunden im Make-up-Trailer 

Eine Art kindliche Neugier hat auch Elordi seiner Darstellung des Monsters verliehen. Der 28-Jährige erzählt, er habe für die Vorbereitung Stummfilme des deutschen Schauspielers Emil Jannings (1884-1950) studiert. 

Und er habe versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, alles zum ersten Mal zu erleben - wie das Monster es tut. «Wenn du darüber nachdenkst, wie sich frische Erde unter deinen Füßen beim ersten Mal anfühlt (...). Wie fühlt sich Wasser an, wenn du es zum ersten Mal berührst?»

Elordi sieht als Monster nicht besonders grausig aus, eher wie eine zerbrochene Porzellanfigur. Er musste für die Prothesen täglich lange im Make-up-Trailer ausharren - teils zehn Stunden, wie er dem US-Magazin «Deadline» sagte. 

Er habe seinen Schauspielern gesagt, sie sollen sich den stundenlangen Prozess in der Maske wie ein religiöses Ritual vorstellen, als seien sie Priester, sagte del Toro. «Ich sagte, es ist, als würde man sich für ein Sakrament einkleiden. Betrachtet es als eine Art Meditation.» Ein Regisseur, der von seiner Gemeinde als eine Art Gott verehrt wird, kann sich so eine Ansage vermutlich erlauben.

© dpa-infocom, dpa:251107-930-261027/1

Scott A Garfitt/Invision/AP/dpa | Jacob Elordi hat als Monster im Film wenig Monsterhaftes. (Archivbild)

Ken Woroner/Netflix via AP/dpa | Guillermo del Toro (l) und und Oscar Isaac am Set von «Frankenstein».

Laura Proctor/The Canadian Press/AP/dpa | Christoph Waltz spielt im Film einen Bösewicht. (Archivbild)

Alberto Terenghi/Pool Even/IPA via ZUMA Press/dpa | Oscar Isaac bei der Premiere von «Frankenstein» in Venedig am 30. August. (Archivbild)